13.12.2021

Die anhaltende Lieferketten-Problematik führt zu mehr M&A im Mittelstand, prognostiziert Volker Ruhl

Der Partner der M&A-Beratung Saxenhammer erläutert im Gespräch mit FinanzBusiness die Gründe für die hohe Aktivität im Midcap M&A nach der zwischenzeitlichen Flaute in 2020. Zudem gibt er einen Ausblick, ob der Deal-Boom auch 2022 weitergeht.

Die anhaltende Lieferketten-Problematik führt zu mehr M&A im Mittelstand, prognostiziert Volker Ruhl

2021 war auch im Mittelstandssegment ein sehr starkes M&A-Jahr mit vielen Transaktionen, berichtet Volker Ruhl, der seit diesem Jahr Partner bei der Corporate-Finance-Beratung Saxenhammer ist. Daten von S&P CapitalIQ für Transaktionen im Volumen von 10 Mio. bis 100 Mio. Euro belegen das: Bis zum 9. Dezember betrug das Gesamtvolumen dieses Segments 19,5 Mrd. Euro, verglichen mit 17,2 Mrd. im Vergleichzeitraum in 2020. An das Volumen vom selben Zeitraum 2019 (23,9 Mrd.) kommt es aber nicht heran. Dabei sind Transaktionen mit geringeren Volumina oder in der Datenbank nicht erfasste Deals außen vor gelassen - die Daten bilden also nur ein Bruchteil der etwa 3000 Transaktionen im Mittelstandssegment ab, erklärt Ruhl.

Die hohe Aktivität dieses Jahr hat diverse Gründe: "Zum einen sind es Nachzieheffekte aus einem Covidbelasteten Umfeld in 2020, zum anderen bietet die Option auf eine nach wie vor hohe Unternehmensbewertung ein attraktives Momentum", sagt Ruhl im Gespräch mit FinanzBusiness.

"Weiterhin tragen das Niedrigzinsumfeld und entsprechend günstige Akquisitionsfinanzierungen den Markt. Private-Equity- wie auch Private-Debt-Fonds haben in den vergangenen Monaten sehr viel Geld eingesammelt und verspüren Anlagedruck von ihren Investoren", erklärt Ruhl.

Private-Equity-Fonds sind aktuell im "Schlaraffenland"


Der Anteil der Finanzinvestoren bei Mittelstandstransaktionen wächst stetig, sagt er: "Das gilt nicht nur für größere Transaktionen, sondern auch für spezialisierte Fonds, die sich kleinere Tickets anschauen oder Unternehmen, die auf ersten Blick kleiner, aber in Wachstumsmärkten tätig sind, hoch bewertet werden und die schnell in für Finanzinvestoren attraktive Größen hineinwachsen."

Gleichzeitig gelte aber auch für Finanzinvestoren, sich in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt zu differenzieren. Das führe momentan zu einer Reihe von neuen Finanzinvestoren, die als spezialisierter Investor vor allem in "tech-enabled businesses" oder Nachhaltigkeitsthemen investieren. "In diesen Sektoren zahlen Private-Equity-Fonds attraktive Multiples und es wird schwieriger für Strategen, zum Zug zu kommen. Von der Finanzierung her ist es für Private Equity momentan ein Schlaraffenland", betont Ruhl.

Wachtumsunternehmen treiben M&A-Aktivitäten

Besonders viel Aktivität beobachtet er gegenwärtig bei hoch bewerteten Segmenten: Das betreffe die Branchen Software, Medizintechnik, Fintech, IT-Dienstleistungen oder generell Themen rund um Digitalisierung und E-Commerce. Aber auch das Handwerk oder die Baubranche erzielten momentan hohe Bewertungen. "Auch ESG-Themen gewinnen an Bedeutung. So werden zum Beispiel SaaS-Anbieter für ESGThemen aufgrund innovativer Geschäftsmodelle in einem Wachstumsmarkt in Kombination mit wiederkehrenden Umsätzen hoch bewertet."

Momentan gebe es wenig Gründe, warum sich diese Aktivität 2022 ändern sollte, führt der Berater aus. "Es herrschen optimale Voraussetzungen für M&A. Die makroökonomischen Faktoren sind sehr günstig. Je nach Branche boomt es auch im Mittelstandssegment." Und: 2022 kann sogar noch besser werden, prognostiziert Ruhl. Im Mittelstand erwartet er wieder verstärkt Carve-outs, da vor dem Hintergrund der aktuellen Trendthemen dort Bereinigungen stattfänden und viele Mittelständler ihren Investmentfokus schärfen wollen, so Ruhl.


Lieferengpässe sorgen für Konsolidierung

Die anhaltenden globalen Lieferkettenengpässe würden ebenso zu mehr M&A führen. "Stabile Unternehmen werden versuchen, Lieferketten über M&A zu sichern und eine vertikale Integration in vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungskette vorzunehmen. Bei den finanziell angeschlagenen Unternehmen wird hingegen der Distressed-M&A-Markt profitieren", erklärt der Berater.

Insgesamt erwartet Ruhl, dass der Distressed M&A-Markt wieder mehr Transaktionen aufzeigen wird. "Die gestiegene Zahl der Insolvenzen spiegelt die aktuelle Mandatssituation wider. Wir betreuen einige Mandate bei denen Unternehmen zwar noch nicht insolvent, aber in Schieflage sind. Dort wird aktuell verstärkt versucht, eine vorinsolvenzliche Lösung zu finden", berichtet er. Die anhaltende Corona-Pandemie werde im weiteren Verlauf hingegen keinen maßgeblichen Effekt mehr auf die M&A-Aktivitäten haben, erwartet Ruhl. "Die aktuellen Beschränkungen sind überhaupt nicht mit dem ersten Lockdown vom Frühjahr 2020 vergleichbar und die Corporate-Finance-Welt hat gelernt, Transaktionen größtenteils digital durchzuführen."

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